Mittwoch, 21. Juli 2010

ELF

Es begann.

Ohrenbetäubendes Schreien erfüllte quadrophonisch den Platz. Aus allen vier Himmelsrichtungen rannten die Leiber heran, schreiend, mit verkniffenen Augen, jeweils exakt geradeaus. Kommandant Wolke, von Osten, hatte seinen Flakon wieder aus der Tasche genommen und reckte ihn beim Laufen mit der rechten Hand in die Höhe, schwer mit den Schuhen gegen den dicken braunen Stoffsaum schlagend. Klicks, von Westen, steckte alle Kraft in seine Arme und hielt beim Rennen seine Gipshaube so hoch in den Himmel, wie niemals zuvor, den darunter einblasenden Wind mühsam ausgleichend. Fisch, von Norden, nahm sämtliche Energie zusammen und schoss wie ein Sprinter der imaginären geraden Linie hin zum Zentrum entlang, die Augen geschlossen. Lambda, von Süden, verschränkte die Arme vor seiner Brust und rannte zeitgleich mit den anderen los. Alle vier brüllten wie Berserker, ließen ihre Kehlen und Stimmlippen schmerzen, jeder der vier Mundräume ein gigantisches Loch voller Schwingungen, Oralgewebe flatternd.

Die Passanten auf dem Platz konnten nur mühsam fassen, was vor sich ging. Einige drehten sich um, einige im Kreis, andere stolperten, die meisten kapitulierten vor der Entscheidung, in welche Richtung sie flüchten sollten. Eine Gruppe Betrunkener erging sich in verständnislosem Stillstand, die Hasen schossen irritiert vom Gras weg, ein bekappter Jugendlicher warf sich auf den Boden und verlor seinen linken Schlappen. Wo sich die vier Körper treffen würden, wurde den wenigsten klar, gut die Hälfte war zunehmend damit beschäftigt, sich wild umschauend auszurechnen, wo sich das Zentrum des Aufpralls bilden könnte.

Als sich die Möwe vom Römertor krächzend erhob, war der Priester in seine Vision bereits vollkommen versunken.

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